Was ist gute Herrschaft? Was bleibt von einem Kaiser, der lieber reflektierte als triumphierte? In knapp zwei Wochen beginnt in Trier nicht nur die große Landesausstellung zu Marc Aurel – auch das dazugehörige Kulturprogramm nimmt Fahrt auf. Und das zeigt: Philosophie kann tanzen, reden, streiten – und TikTok. Ob beim feministischen Performance-Ritual „Kosmos“ in St. Maximin (11.–13. Juni), beim Dialog mit einer KI-gesteuerten Büste im Stadtmuseum oder beim Meme-Wettbewerb des Studiwerks – der Kaiser wird zur Projektionsfläche für Ideen, Kunstformen und gesellschaftliche Fragen von heute.
Es gibt Dinge, die gehen einem leicht von der Hand. Ein Putsch jedoch gehörte Jahrhunderte lang nicht dazu. Man brauchte Geld, Waffen, Militär und jede Menge Gewalt für einen ordentlichen Staatsstreich. In Demokratien ist das heutzutage einfacher. Schließlich ist sie die einzige Staatsform, die sich auf legalem Wege selbst abschaffen kann. Und die Angst davor wächst - nicht nur in Deutschland.
Nach dem großen Erfolg ihrer Komödie „Kardinalfehler“ haben Alistair Beaton und Dietmar Jacobs ein neues Stück für das Theater Trier geschrieben, das im Rahmen des begleitenden Kulturprogramms zur Marc Aurel-Ausstellung Premiere feiert. „Putsch. Anleitung zur Zerstörung einer Demokratie“ ist eine beißende und schnelle Satire, die zeigt, wie die Grenzen zwischen Linken und Rechten, Mächtigen und Ohnmächtigen, Woken und Unwoken, Medien, Internet und Politik immer weiter verschwimmen. Als einziger Programmpunkt des Begleitprogramms startete das Stück bereits vor der offiziellen Ausstellungseröffnung am 15. Juni – und wurde ein Publikumsmagnet. Auch für die letzten beiden Aufführungstermine sind nur noch Resttickets erhältlich. Wer noch eine Karte ergattert, darf auf einen Abend gespannt sein, an dem die Parallelen zur Realität und die Frage, wie nah Machtlegitimation und Machtmissbrauch zusammenhängen können, auf beunruhigende Art im Raum stehen bleiben.
Die Anleihen an den Ausstellungsteil des Stadtmuseums Simeonstift, der unter der Frage „Was ist gute Herrschaft“ die Bedeutung Marc Aurels von der Antike bis in die jüngste Neuzeit verfolgt, ist keinesfalls zufällig. Im Gegenteil: Viele Projekte des städtischen Begleitprogramms greifen bewusst gesellschaftspolitische Fragestellungen auf, die die stoizistischen Überlegungen des Philosophenkaisers in die Jetztzeit überführen. In seiner Ausstellung „Was der Allgemeinheit nützt“, ein Zitat Marc Aurels, zeigt der Satiriker Klaus Staeck ab dem 21. Juni im Palais Walderdorff Collagen, eine Dokumentation, die Edition „Flagge zeigen“ und Plakate der letzten 50 Jahre, darunter beispielsweise ein Bonbonglas mit kleinen Erdkugeln darin, auf dem „Neue Ernte“ steht.
Ähnlich kritisch, aber deutlich weniger satirisch widmet sich Hannah Ma in ihrem Performanceritual „KOSMOS“ der Frage, was Frieden eigentlich bedeutet. Ihr Projekt beschreibt die Künstlerin selbst als „de-kolonial, co-kreativ, performativ, nomadisch“ sowie als „politische Auseinandersetzung mit der Geschichte aus feministischer Perspektive“. Wie dieser Anspruch mit Leben gefüllt wird, erfahren die Gäste erst vor Ort in St. Maximin. Eines jedoch ist sicher: Bei der Aufführung interagieren die Performenden und das Publikum miteinander – so eröffnet jeder Abend einen anderen Kosmos.
Auch in verschiedenen weiteren Projekten geht es um die Interaktion, die die Projekte erst ermöglicht. Das Studierendenwerk organisiert einen Meme-Wettbewerb auf Instagram zu Marc Aurels Zitat „Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht“. Bis zum 17. Juli können die Beiträge eingereicht werden. In dem künstlerisch-philosophischen Gedankenexperiment „Die Stadt der Kinder“ erarbeiten Kreativschaffende der Kunstflotte Trier gemeinsam mit Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren die Vision einer Gesellschaft, in der junge Menschen wesentliche Entscheidungsträger*innen sind. Das partizipative Projekt, das kostenfrei für Schulklassen buchbar ist, fördert die kulturelle Teilhabe und sensibilisiert junge Menschen für demokratische Werte und Prozesse. Bodo Korsig hingegen ermöglicht in seiner Installation „Dialog mit Marc Aurel“ die Möglichkeit, flankierend zum Ausstellungsbesuch im Stadtmuseum Simeonstift einen Echtzeit-Plausch mit Marc Aurel zu halten. Gäste können mit einem 3D-Modell von Marc Aurels Büste sprechen und mittels KI in einen lebendigen Austausch mit dem 2. Jahrhundert treten. Und auch beim Medienkunstprojekt „Frag doch Marc Aurel!“ eignet sich der antike Herrscher moderne Social Media-Kenntnisse an: In zwölf TikTok-Videos beantwortet eine KI-animierte Marc-Aurel-Büste Fragen zu Demokratie und römischer Herrschaft, aber auch zu trierspezifischen Themen wie dem Viez. Die kurzen Videoclips werden ab dem 15. Juni auf einem eigens eingerichteten TikTok-Kanal sowie zusätzlich auf der Pro-jektwebseite www.frag-doch-marc-aurel.org gezeigt.
Klassischer unterwegs sind demgegenüber Herbert Lauer, Johannes Metzdorf und Uschi Britz: In ihrer szenischen Lesung „Ich lernte, die Meinungsfreiheit zu ertragen“ stehen Marc Aurels eigene Aussagen, die „Selbstbetrachtungen“, aber auch die Briefe des Privatmanns an seinen Lehrer Fronto oder Lukrez‘ Schilderungen der (vor-aurelianischen) Pest im Mittelpunkt. Lyrik der Zeit und musikalische Elemente ergänzen die Collage, die insgesamt sieben Mal an wechselnden Orten in der Stadt aufgeführt wird, von der TUFA bis zu den Museen der Stadt Trier. In der Wissenschaftlichen Bibliothek, wo die Lesung am 18. Juni ihre Premiere feiert, eröffnet einen Tag zuvor auch die ergänzende Ausstellung „Schlechte Herrschaft – Krieg!“ ihre Tore, die unter anderem mit detailgetreuen Nachbauten römischer Feldgeschütze aus dem 1. Jahrhundert v. Chr. tief in die Kriegsgeschichte eintaucht und dabei den Bogen bis zur Neuzeit spannt. Die Exponate sind bis zum 23. November zu sehen.
Alle Informationen zum Begleitprogramm der Marc-Aurel-Ausstellung – sowohl dem städtischen, als auch dem musealen und landesweiten – finden Interessierte unter www.marc-aurel-trier.de.
Extra:
Das städtische Kulturprogramm zur „Marc Aurel“-Ausstellung im Juni
Ausstellungen/Ständige Angebote
Wissenschaftliche Bibliothek der Stadt Trier / Stadtarchiv
Schlechte Herrschaft – Krieg!
In Kooperation mit der Universität Trier zeigt die Ausstellung detailgetreue Nachbauten römischer Feldgeschütze aus dem 1. Jh. v. Chr. sowie archäologische Fundstücke und vermittelt einen Ein-druck davon, wie sich römische Truppen auf dem Schlachtfeld durchgesetzten. Mittelalterliche Handschriften, historische Drucke und seltene Archivdokumente bieten weiterführende Einblicke in die Thematik in die historische Verbindung von (schlechter) Herrschaft und Tyrannei, Macht, Gewalt und Krieg.
Laufzeit: Sonntag, 15. Juni bis Sonntag, 23. November 2025
Eröffnung: Dienstag, 17. Juni 2025, 18.00 Uhr
Schatzkammer & Lesegarten | Eintritt 6 €/erm. 3 €
Öffnungszeiten:
Dienstag - Sonntag, 10.00 – 17.00 Uhr
Kunstflotte Trier
Die Stadt der Kinder. Ein künstlerisch-philosophisches Gedankenexperiment
Jugendliche im Alter von 14 bis 19 Jahren entwickeln gemeinsam mit Philosophiestudent*innen und Künstler*innen verschiedener Disziplinen die Vision einer Gesellschaft, in der junge Menschen wesentliche Entscheidungsträger*innen sind. Das partizipative Projekt fördert die kulturelle Teilha-be und sensibilisiert junge Menschen für demokratische Werte und Prozesse.
Projekt für Schulklassen | kostenfrei
Abschlusspräsentation im Oktober 2025
Laufzeit: bis Oktober
Anmeldung unter: kriebel@kunstflotte.net und thurner@kunstflotte.net
Informationen und Anmeldung: https://kunstflotte.net/kunstflotte-trier-gug/projekte/
Bodo Korsig
Dialog mit Marc Aurel
Mithilfe modernster Technik und KI spricht ein 3D-Modell von Marc Aurels Büste, regiert auf Zitate aus seinen „Selbstbetrachtungen“ und tritt mit den Besucher*innen in einen interaktiven Dialog.
Laufzeit: 15.06. bis 23.11., während der Öffnungszeiten des Museums
Stadtmuseum Simeonstift Trier | Zugang im Ausstellungsticket enthalten
Gesellschaft für Bildende Kunst Trier e.V.
Klaus Staeck – „Was der Allgemeinheit nützt“
Seit den 1960er-Jahren kritisiert Klaus Staeck in seinen Druckwerken gesellschaftspolitische The-men wie fehlendes Umweltbewusstsein, Kriegstreiberei und die Glaubwürdigkeit der Parteien. Er tritt für soziale Gerechtigkeit ein und „was der Allgemeinheit nützt“ (Marc Aurel). Ausgestellt wer-den Plakate (1972–2020), Collagen, eine Dokumentation sowie die Edition „Flagge zeigen“.
Laufzeit: Samstag, 21. Juni bis Samstag, 2. August 2025
Eröffnung: Freitag, 20. Juni, 19.30 Uhr
Galerie Palais Walderdorff | Eintritt frei
Öffnungszeiten: Dienstag, Donnerstag, Freitag 17–20 Uhr, Samstag 13–16 Uhr, Sonntag 11–13 Uhr, Montag und Mittwoch geschlossen
Weitere Termine:
Sonntag, 6.7. und Sonntag, 20.7.2025, 11 Uhr, dialogischer Rundgang
Podiumsdiskussion (Termin wird noch bekannt gegeben); Medienzentrum Raum 5, Eintritt frei
Samstag, 2.8.2025, 15 Uhr dialogischer Rundgang mit anschließender Finissage
Sondertermine für Gruppen möglich
Information und Anmeldung unter vorstand@gb-kunst.de
Gwiozda & Kotschka / Medienkunst
„Frag doch Marc Aurel!“
In 12 TikTok-Videos beantwortet eine KI-animierte Marc-Aurel-Büste Fragen zu Demokratie, römi-scher Herrschaft, zu Viez etc. Die Themen werden in Schülerworkshops erarbeitet. Die kurzen Vi-deoclips werden auf einem eigens eingerichteten TikTok-Kanal gezeigt sowie zusätzlich auf einer Projektwebseite.
Laufzeit: 15.06. bis 23.11.2025
Webseite: www.frag-doch-marc-aurel.org
Studiwerk Trier
Meme-Wettbewerb auf Instagram
Das Studierendenwerk organisiert einen Meme-Wettbewerb auf Instagram zu Marc Aurels Zitat
„Unser Leben ist das, wozu unser Denken es macht.“
Studierende können teilnehmen, indem sie studiwerk.de folgen und ihr Meme einsenden. Es gibt attraktive Preise zu gewinnen.
Laufzeit: 16.06 bis 17.07.2025
Informationen: http://www.studiwerk.de
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Aufführungen:
Theater Trier
Putsch – Anleitung zur Zerstörung einer Demokratie
Anhand des Aufstiegs einer außergewöhnlichen, witzigen und zielstrebigen Frau werfen Alistair Beaton und Dietmar Jacobs einen ebenso satirischen wie aktuellen, einen harten und auch sehr komischen Blick auf den Zustand unserer Demokratie.
Termine:
Freitag, 06.06.2025, 19.30 Uhr
Mittwoch, 11.06.2025, 19.30 Uhr
Ort: Theater Trier, Großes Haus
Tickets über www.theater-trier.de/auffuhrung/putsch/
TIM-Theater im Museum
„Ich lernte, die Meinungsfreiheit zu ertragen“
Marc Aurel: eine Spurensuche
Auszüge aus Aurels „Selbstbetrachtungen“ stehen im Mittelpunkt der Szenischen Lesung. Wie kon-trastieren Quellen zur Christenverfolgung mit seinen heute noch lesenswerten philosophischen Schriften? Ein sehr privates Bild des Kaisers und Feldherren zeigt der Briefwechsel mit seinem Er-zieher Fronto. Und wer war eigentlich Faustina, seine Frau? Lukrez‘ Schilderung der Pest, Lyrik der Zeit und musikalische Elemente ergänzen die Collage.
Szenische Lesung mit Herbert Lauer, Johannes Metzdorf und Uschi Britz
Termin: Mittwoch, 18.06.2025, 17 Uhr
Ort: Wissenschaftliche Bibliothek/Archiv der Stadt Trier, Weberbach 25, 54290 Trier | Tickets 10 €, erm. 6 €
Tickets unter www.ticket-regional.de
Weitere Termine:
Samstag, 21.6.2025, 20 Uhr, Tuchfabrik (TUFA) Kleiner Saal
Donnerstag, 21.8.2025, 18.15 Uhr, Rheinisches Landesmuseum Trier
Donnerstag, 28.8.2025, 18.15 Uhr, Stadtmuseum Simeonstift Trier
Samstag, 6.9.2025, 17.30 Uhr, Europäische Kunstakademie
Donnerstag, 16.10.2025, 19 Uhr, Volkshochschule (VHS) Beletage
Donnerstag, 23.10.2025, 17 Uhr, Museum am Dom
Kartenreservierung auch unter 0651-9946655
Informationen: www.theater-im-museum-tim.de
hannamadance & GrAFiTi Festival/Sredna e.V.
KOSMOS
KOSMOS ist ein dekoloniales, co-kreatives, performatives Ritual, in dem die Grenzen zwischen Per-formance und Sozialraum verschwimmen. Eine fiktive Sprache und ortsabhängige choreografische Fragmente werden entwickelt, wobei das Publikum aktiv eingebunden wird, Impulse für die Per-former*innen zu geben. KOSMOS ist ein Ritual der politischen Auseinandersetzung mit Geschichte aus feministischer Perspektive und fragt: „Was bedeutet Frieden und wer erschafft den Kosmos?“
Termine:
Donnerstag, 12. Juni, 18.30 Uhr, Herz Jesu Trier
Freitag, 13. Juni, 19.30 Uhr, Herz Jesu Trier
Dauer: ca. 1 Stunde
Registrierung/Tickets: www.ticket-regional.de
Informationen: www.hannamadance.com